Neuster Minimal-Ansatz von Wolfgang Voigt, wie immer sehr eigentstaendig und auch schoen.
Wenn es experimentell-minimalistische Tanzmusik in dem Sinne wie wir sie heute kennen, zu Zeiten von Arnold Schönberg und Paul Hindemith schon gegeben hätte, würde sie vielleicht so klingen wie das vorliegende Album. Auch wenn diese Vorstellung etwas Faszinierendes hat und Wolfgang Voigt bekannter Maßen eine Vorliebe für die Musik dieser Zeit, so ist Freiland-Klaviermusik doch einem ganz anderen Ansatz verpflichtet. Es ist einmal mehr der Versuch Voigts, eine musikalische Struktur zu finden, welche die Grenzen zwischen frei improvisiertem, “virtuosem“ Spiel und fein gerasterter Computermatrix auflöst. Wie immer bei Voigts Freiland Projekt, dreht sich auch hier ein einzelner, auf unterschiedlichste Weise variierter Klang um den kleinsten/größten gemeinsamen Nenner minimaler Technomusik - um die gerade Bassdrum. In diesem Fall ein synthetisches Klavier, das sich zwischen rhythmisch und abstrakt, zwischen Absicht und Zufall, innerhalb einer mehr oder weniger vorgegebenen Struktur bewegt und bei einigen Stücken auch ganz ohne den Taktgeber Bassdrum auskommt. Dabei ist die atonale, bisweilen kafkaesk anmutende Jahrhundertwende-Klassikästhetikeher ein “schönes Nebenprodukt“, das Voigt aber keineswegs als authentische E-Musik im Sinne der zitierten Komponisten verstanden wissen will. Grenzen sprengen, Regeln brechen, scheinbar unmögliche Verbindungen schaffen, haben Voigt von jeher angetrieben. Abgesehen von seiner zeitlosen Vorliebe, so unterschiedliche Einflüsse wie Klassik, Jazz, Schlager oder Blasmusik in seiner Musik zu verarbeiten, war hier seine Begegnung mit der Musik des mexikanischen Komponisten Conlon Nancarrow (1912-1997) ein entscheidender Impulsgeber. “Nancarrow wurde bekannt mit seinen 51 Studien für Player-Piano. Der Komponist stanzte seine Kompositionen für elektro-mechanische Selbstspielklaviere direkt in die Notenrollen der Klaviere. Die starken und breiten Papierstreifen, mit denen Nancarrow die Mechanik solcher Klaviere ansteuerte, sind in etwa vergleichbar mit den bei älteren Computern verwendeten Lochstreifen oder -karten. So konnte Nancarrow in Hinsicht auf Tempo, Rhythmus und Metrum neuartige musikalische Strukturen realisieren, die über die manuelle Spielfähigkeit von Pianisten weit hinausgehen.“ In Nancorrows Arbeit sah Voigt starke Parallelen zu seiner, von der Suche nach Unvorhersehbarkeit und Spontanität geprägten Arbeitsweise, eine Symbiose zwischen Mensch und Maschine zu finden. Ein Ansatz der auch immer wieder in seiner bildnerischen Arbeit seine Entsprechung findet. Auf dem Cover befindet sich ein Ausschnitt aus einer von Voigts Tetrapak-Übermalungen, bei denen er eine vorgegebene maschinelle Struktur (Muster, Tapete, ...≙ Loop, Pattern,...) mit einer mehr oder weniger frei verlaufenden rhythmischen Maltechnik überzieht, verbindet, konfrontiert. Die aktuellen Veröffentlichungen auf seinem reaktivierten 1990er-Jahre Label PROFAN und die Wiederzusammenführung seiner Musik mit seiner bisher weniger bekannten bildnerischen Arbeit, zeigen daß Wolfgang Voigt in 2010 minimale Musik einmal mehr aus der Perspektive von Minimal-Art, als aus der des heutigen Minimal-Techno begreift. Vielleicht auch weil Kunst schwieriger und schmerzhafter sein darf, als Minimal-Techno es heute je könnte. Gewissermaßen eine Ausnahme stellt das Stück - Geduld - dar, das wegen seiner vergleichsweise größeren “Zugänglichkeit“ auch schon auf der KOMPAKT Kompilation TOTAL 9 erschienen war. Um so mehr bot sich Geduld für die Maxi Auskopplung an. So hat es sich DJ Koze nicht nehmen lassen das 2008er Klaviertechnokunststück auf seine unvergleichbare Art zum wahren Tanzflächen-Füller zu remixen. Dabei ist es ihm gelungen, die entscheidenden original Klavierpassagen perfekt zu integrieren. Zusammen mit der Original Version und dem hypnotisch-minimalen Bonusstück -Verwandlung- erscheint die Maxi - PROFAN 33 - GEDULD REMIX - parallel zum CD Album. Ebenfalls zur V.Ö. des Albums geht Wolfgang Voigts Netzseite (www.wolfgang-voigt.com) online, die den bisher umfassendsten Überblick über Voigts künstlerisches Schaffen und Denken gibt. Bereits 2008 erschienen ist die Vorabmaxi - PROFAN30 WOLFGANG VOIGT - FREILAND KLAVIERMUSIK. Von der Maxi Auskopplung PROFAN 33 GEDULD-REMIX wird es neben der offiziellen Version, auch eine auf 200 Stück limitierte, handbemalte, handsignierte Auflage, inklusive einem Freiexemplar der Album CD geben, die nur im KOMPAKT Versand erhältlich sein wird.